Fest des gekreuzigten Jesus - Fiestas del Santísimo Cristo de La Laguna
Auf Teneriffa gibt es zahlreiche Feste und Prozessionen mit katholischem Hintergrund. Die farbenfrohen Spektakel beeindrucken nicht nur durch die Inbrunst, mit der sie begangen werden. Auf vielen Feierlichkeiten werden historisch realistische Szenen aus der Geschichte der Christenheit dargestellt. Hervorzuheben sind die Prozessionen der Osterwoche auf Teneriffa, beispielsweise in Adeje im Süden der Insel, in der Dutzende Canarios den Kreuzigungszug in historischen Gewändern inszenieren. Zu den wichtigsten Festivitäten gehört außerdem das Anfang Februar ausgerichtete Fest zu Ehren der Jungfrau von Candelaria, die Patronin und Schutzheilige der Kanarischen Inseln ist. Am 14. September jeden Jahres steht die Kreuzskulptur aus San Cristóbal de La Laguna im Mittelpunkt. Sie stellt Jesus' Körper, Haltung und Mimik eindrucksvoll realistisch dar und gehört zum Weltkulturerbe. Die Fiestas del Santísimo Cristo de La Laguna beschränken sich wie alle Feste auf Teneriffa nicht nur auf einen Tag. Viele Veranstaltungen rund um den Hauptfeiertag sprechen alle Bevölkerungsgruppen an und sowohl jung wie alt ist tage- und nächtelang auf den Beinen.
Kreativität und Schmuck spielt eine Hauptrolle beim Ausstaffieren der Altstadt von San Cristóbal de La Laguna auf Teneriffa. Im September werden viele Fassaden der Stadt mit Blumengestecken geschmückt. Die bunten Teppiche in den Gassen der Altstadt, gestaltet aus Blumen, gefärbtem Salz, Samen und Holzstücken, feiern den Corpus Christi Ende Mai beim Fronleichnamfest. Bei den Fiestas del Santísimo erstrecken sich die Feiern rund eine Woche lang auf den 14. September hin. Das Bild des gekreuzigten Jesus wird am 9. von seinem Platz in der Kathedrale auf Wanderschaft geschickt. Am 14. kehrt es dann in der Hauptprozession zurück, die von einem Vertreter des spanischen Königs begleitet wird. Auf dem großen Platz vor dem Schrein beginnt beim Eintritt des Bildes ein ohrenbetäubendes Feuerwerk. Von vielen Besuchern und Einheimischen in Teneriffa wird es als das größte, bunteste und lauteste Feuerwerk von den wahrlich nicht wenigen Feuerwerken der Insel gesehen.
Geschichte & Herkunft
Die Herkunft des Jesusbildes ist nicht zweifelsfrei geklärt, allerdings sind einige Fakten unumstritten. Der Mittelpunkt der Fiestas del Santísimo Cristo de La Laguna auf Teneriffa ist eine Schnitzarbeit im gotischen Stil, wie er um das Jahr 1500 im flämischen Raum angewandt wurde. Die rege Handelstätigkeit der niederländischen mit der spanischen Krone lässt darauf schließen, dass Jesus den Weg nach Teneriffa über Barcelona und Sevilla fand. Als Anlass für den Ortswechsel werden zwei Szenarien als wahrscheinlich angenommen. Der spanische Eroberer Teneriffas Alonso Fernández de Lugo gehörte der christlichen Bruderschaft Vera Cruz an, aus dessen andalusischen Klosterschrein das Jesusbild 1520 mitgebracht wurde. Als alternative Erklärung herrscht die Version vor, dass der Herzog von Medina Sidonia das wertvolle Artefakt de Lugo schenkte.
-
Besonderheit
Eine Besonderheit stellt die realistische Abbildung des Leib Christi dar. Die Augen sind offen und die Kopfhaltung der Skulptur ist aufrecht. Entgegen den weitverbreiteten Darstellungen ist Jesus hier nicht ohnmächtig und mit einem schönen ausdruckstarkem Gesicht abgebildet. Die Proportionen und physiologischen Merkmale entsprechen einer streng korrekten Beobachtung und Umsetzung eines Menschen aus jener Zeit. Die Details bilden die Gesichtszüge der israelitischen Bevölkerung ab, die für hohe Wangenknochen und Adlernasen bekannt war. Die Haare sind lockig dargestellt.
-
Historisches
Der Wissenschaftler Francisco Galante Gomez legte sich nach eingehender Untersuchung auf die Entstehungsjahre 1500 oder 1514 fest, also nur wenige Jahre vor dem Erreichen von Teneriffa. Als Schöpfer benannte Gomez von der Universität den belgischen Bildhauer Louis Van Der Vule. Als präzise stilistische Einordnung beschrieb er den gotischen Stil mit einem antiken Einschlag der damaligen burgundischen Niederlande. Klar ist das jüngere Alter des Kreuzes, das erst über hundert Jahre später ausgetauscht wurde. Bis 1630 war die Jesusskulptur auf einem einfachen Holzkreuz montiert, das heute nicht mehr existiert und nur durch einige wenige Skizzen und mündlichen Überlieferungen beschrieben werden kann. Anfang des Zwanzigsten Jahrhunderts ernannte der damalige spanische König Alfonso XIII. den Schrein der Jesusskulptur auf Teneriffa , das Santuario del Santisimo, zur königlichen Einrichtung. Damit erhielt eine der ersten christlichen Heiligtümer auf den Kanaren den Status Real am 19. Dezember 1906. Knapp hundert Jahre später, am 22. November 2006 bekräftigte der Besuch des spanischen Königs Juan Carlos zusammen mit Königin Sofia den königlichen Status.
-
Feierlichkeiten und Brauchtum früher und heute
Die Fiestas del Santísimo Cristo de La Laguna hielten zeitgleich mit dem Erscheinen des Bildes Einzug auf Teneriffa und in La Laguna. Zusammen mit der Jungfrau von Candelaria und der Jungfrau von Teror gehört es bis heute zu den am stärksten verehrten Heiligendarstellungen auf den Kanarischen Inseln. Alle katholischen Kirchen, Bruderschaften und Orden, die in Teneriffa an der Macht waren, feierten die Fiestas del Santísimo Cristo de La Laguna mit einer Prozession. Das mit Silberplatten bedeckte Kreuz ersetzte 1630 das alte einfache Holzkreuz, nachdem der Machthaber der Nachbarinseln La Gomera und El Hierro Francisco Bautista Pereira de Lugo dem Kloster in La Laguna zum Geschenk machte.
Zweimal in jedem Jahr findet das Jesusbild seinen Weg aus seinem Schrein in die Öffentlichkeit auf Teneriffa. In der heiligen Karwoche vor dem Osterfest wird es auf dem Thron der Prozession Magna platziert und am Karfreitag an mehreren Kirchen vorbei durch das historische Zentrum zur Kathedrale in La Laguna geführt. Mit ruhiger, dramatischer Musik untermalt erleben die Besucher den Leidensweg Jesus Christi, dargestellt auf 24 Pasos mit einzelnen Wagen. Begleitet werden die Pasos von verschiedenen Bruderschaften, die Hermandades, den "Pasos von Nazarenos" oder "Penitentes" (Büßer). Die Mitgliedschaft in einer Bruderschaft wird dabei von Generation zu Generation weitergegeben
Am 9. September beschreitet das Bild den Weg von seinem Schrein in die Kathedrale von La Laguna, wo es fünf Tage gut sichtbar verbleibt. In dieser Zeit besuchen unzählige Gläubige das Bild. Am 14. September sind die Höhepunkte der Ehrerbietung eine Mischung aus militärischen, religiösen und zivilen Ritualen und begleiten den Jesus auf dem Weg zurück in seinen Heimatschrein. Auf dem Weg werden die Klöster von Santa Klara de Assisi und der heiligen Katherina von Siena besucht. Den Abschluss der Fiestas del Santísimo Cristo de La Laguna bildet das Feuerwerk, das die Wiederkunft des Bildes auf seinem Altar lautstark verkündet.
Der Schleier Christi und seine Wunder
Fast so alt wie das Bild des Jesus von Nazareth ist der Schleier Christi, der auf vor das Jahr 1599 datiert wird, ohne eine genauere Angabe machen zu können. Der Schleier aus Damastseide enthält das Christenkreuz und das Signet des päpstlichen Pontifikats. Bei den Fiestas del Santísimo Cristo de La Laguna auf Teneriffa wird auch der Schleier gewürdigt, der für einige besondere Vorkommnisse und Wunder verantwortlich gemacht wird. So soll er den befürchteten Angriff der Lutheranischen Holländer verhindert haben, die Tage vor seinem Auftauchen auf Gran Canaria gelandet waren. Von dort wurde das Seidentuch nach La Laguna überführt, wo es im Juli 1810 sein zweites Wunder vollbrachte.
Im Schrein und dem Heimataltar des Jesusbildes brach 1810 ein verheerendes Feuer aus, das den Schrein und viele Menschen bedrohte. Die ehemalige Pfarrei Los Remedios, heute die Kathedrale, beleuchtete den Weg vom Schrein in ihre Räumlichkeiten mit kleinen Kerzen. Erzählungen von Zeitzeugen zufolge wurde das Jesusbild durch eine fatale Prozession gerettet, während der die Hilferufe Not leidender Menschen aus der Ferne herüberschallten.
Im Jahr 1921 und 1922 zog eine Gruppe militärische Gebirgstruppen aus Teneriffa an der Küste Marokkos in die Schlacht. Die Schirmherrschaft für die 160 Männer starke Einheit übernahm der Jesus von La Laguna. Nach 17 Kämpfen kehrt die komplette Batterie gesund und ohne Verluste wieder zurück nach Teneriffa. Die Unversehrtheit wurde dem Christus von La Laguna als weiteres Wunder zugeschrieben. Die Artillerie versprach daraufhin feierlich, zukünftig an jeder Prozession der Fiestas del Santísimo Cristo de La Laguna teilzunehmen und damit die Liebe und den Glauben auszudrücken, die sie gegenüber diesem Wunder empfanden.
Das Osterfest und die Fiestas del Santísimo
Während des höchsten christlichen Festes Ostern erfährt der Jesus von La Laguna große Wertschätzung. Neben der Septemberprozession bei den Fiestas del Santísimo Cristo de La Laguna ist es der zweite große Auftritt des Bildes im Jahr. In der Karwoche besucht das Bild neben zwei Klöstern viele Tempel im Zentrum von La Laguna. Dort werden die sieben Worte rezitiert, die als überlieferte letzte Worte bei der Kreuzigung von Jesus gesprochen wurden. Nach Stunden der Sühne führt der Weg dann jeweils weiter bis in die Kathedrale. Zum Abschluss verlässt das Bild in der Großprozession am Nachmittag des Karfreitags die Kathedrale und wird wieder zu seinem Altar in seinem Schrein gebracht.
Bei den Fiestas del Santísimo Cristo de La Laguna im September verlässt das Bild seinen Schrein am 9. September wieder. Bei seinem fünftägigen Aufenthalt in der Kathedrale wird es schmuckvoll auf seinem silbernen Kreuz aufgebahrt und präsentiert. Bezug nehmend auf das Versprechen der Artillerie Anfang des Zwanzigsten Jahrhunderts umfassen die Fiestas del Santísimo Cristo de La Laguna auch militärische Paraden. Mit dem abschließenden Feuerwerk werden die Feuer von Christus, die Fuegos del Cristo, auf Teneriffa ausgedrückt.
El Cristo de La Laguna und die Jungfrau von Candelaria
Fast untrennbar zusammen gehören das Christusbild und die Skulptur der Jungfrau von Candelaria. Schon die ersten Spanier, die es auf Teneriffa verschlug, trafen auf die beiden Heiligtümer. Viele Gemälde, Kleinskulpturen und Stilikonen stellten die Jungfrau von Candelaria dar. Geschichtswissenschaftler datieren das erste Treffen der Jungfrau mit dem Jesusbild auf das Jahr 1607. Die Jungfrau von Candelaria wurde nach La Laguna gesendet, um für Regen zu wirken, der die grassierende Pest beenden sollte. Nach der Begegnung der beiden Bilder setzten schwere Niederschläge ein, die für das Aussterben der Pest sorgten. In den frühen Jahrhunderten war es üblich, dass sich die Jungfrau von Candelaria und das Jesusbild an den Toren der Stadt trafen. Die letzten drei Treffen in den Jahren 1964, 1997 und 2009 fanden hingegen auf dem Plaza del Cristo de La Laguna statt. Auch das erwartete nächste Treffen im Jahr 2023 soll dort stattfinden.
Die vielen Auswanderer und Emigranten, die von Teneriffa aus in den Jahrhunderten in Lateinamerika eine neue Heimat fanden, nahmen Abbilder sowohl des Jesusbildes als auch der Jungfrau von Candelaria in ihre neue Welt mit. Viele Darstellungen der beiden Heiligen orientierten sich an den kanarischen Originalen und so kommt es, dass heute in der Karibik, in Mexiko und anderen Ländern Süd- und Mittelamerikas verblüffend ähnliche Darstellungen der beiden Heiligen zu finden sind. Weitere Abbilder des Jesusbildes sind an anderen Orten auf den Kanaren anzutreffen. Auf Gran Canaria ist Telde die Partnerstadt von La Laguna und auch dort findet sich in der Basilika ein Schrein, der die Ähnlichkeit mit dem auf Teneriffa nicht verleugnen kann.
-
Reinigung und Restaurierung
Neben den Wundern und Legenden sind die beiden religiösen Heiligtümer auf Teneriffa auch durch ihre außergewöhnliche künstlerische Qualität miteinander verbunden. So befindet sich ein hochwertiges antikes Ölbildnis der Jungfrau von Candelaria im Schrein "Real Santuario del Santissimo Cristo de La Laguna" des Jesusbildes. Umgekehrt ist ein wertvolles und ebenfalls antikes Abbild des Christus im Schrein der Jungfrau von Candelaria "Real Basilica de Nuestra Senora de al Candelaria" zu finden.
Vor zwei Jahren wurde die erste große Restaurierung des Christusbildes aus Teneriffa abgeschlossen. Von November 2011 bis März 2012 besserten Spezialisten des Instituts für Kunst des Weltkulturerbes in Brüssel einige Beschädigungen und fehlende Teile aus. Risse im Holz mussten geschlossen werden, einige Teile der Krone fehlten und mussten ersetzt werden und selbst ein paar Finger wurden wieder angesetzt. Größte Herausforderung war das Aufhalten der Verdunkelung des Bildes, die durch einen Mandelölüberzug als Regenschutz entstanden ist. Die Regen schützende Schicht zog den Schmutz aus der mehrere Hundert Jahre alte Geschichte stark an und verklebte auf der Oberfläche.
Nach der so vorsichtigen wie gründlichen Reinigung mit modernsten Methoden veränderten sich die Farben zum Helleren hin, was insbesondere den Hautteint des Jesus betraf. Das Ergebnis war unter den Gläubigen eine ganze Zeit stark umstritten und sie formulierten teilweise großen Unmut über das "neue" Erscheinungsbild. Erst die zunehmenden Erzählungen älterer Menschen, die den Christus noch mit einer helleren Haut kannten, beruhigte die Kritiker.
-
Literatur/Quellen:
Wikipedia
https://es.wikipedia.org/wiki/Sant%C3%ADsimo_Cristo_de_La_Laguna
https://es.wikipedia.org/wiki/Virgen_de_la_Candelaria_%28Islas_Canarias%29
Stadtverwaltung La Laguna
https://www.aytolalaguna.com/
Tourismusbehörde Kanarische Inseln
Tourismusamt La Laguna
Untersuchungsergebnis der Universität La Laguna